Kommentar Umweltbericht 2022

Alle vier Jahre zieht das Bundesamt für Umwelt (BAFU) Bilanz über den Zustand der Umwelt in der Schweiz. Dabei zeigt sich: Die Kreislaufwirtschaft ist nicht mehr nur eine Randbemerkung und die Schweizer Böden leiden weiter unter Nicht-Beachtung. Unsere Expertinnen kommentieren in ihren jeweiligen Spezialgebieten.

Nachhaltige Bodennutzung

Carole Imhof, Projektleiterin Boden

Die Bodenbewirtschaftung in der Schweiz ist nicht nachhaltig


Daran erinnert der Umweltbericht 2022 des Bundesrates. Laut diesem Bericht hat sich die Versiegelung der Böden in den letzten zehn Jahren beschleunigt. Ein besorgniserregender Trend, da der Boden eine wichtige Grösse ist, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Er kann mit seinen vielfältigen Funktionen zum Erreichen von mehr als 50 Prozent der Ziele beitragen.

 

Das Ziel 15.3 der Agenda 2030 fordert eine Welt ohne Bodendegradation. Ein Schlüsselziel, denn gesunde Böden tragen zur Ernährungssicherheit, zur Sicherung der Wasser- und Energieversorgung, zur menschlichen Gesundheit, zum Kampf gegen den Klimawandel und zur Erhaltung der biologischer Vielfalt bei.

 

Die Bodenindexpunkte können dazu beitragen, diese Funktionen zu erhalten und in die Raumplanung mit einzubeziehen. Im Umweltbericht 2022 wird das Pilotprojekt der Bodenindexpunkte in der Region Morges als Pionierprojekt genannt, um die Bodenqualität in der Planung zu berücksichtigen.

Der Ansatz von Morges steht in der Tat im Einklang mit der Bodenstrategie Schweiz, die neben dem Ziel eines Nettobodenverbrauchs von null bis 2050 auch die Berücksichtigung der Bodenfunktionen in der Raumplanung fordert.

 

In der Schweiz gibt es noch viel zu tun

 

Die Berücksichtigung der Funktionen verleiht dem nachhaltigen Bodenmanagement eine neue Tiefe: Der Boden wird als fragile, begrenzte Ressource wahrgenommen, die für die Wirtschaft, die Bevölkerung und die Natur unverzichtbar ist.

 

In der Schweiz gibt es da noch viel zu tun, da stimmen wir dem Umweltbericht 2022 zu und bieten den verschiedenen Akteur/innen unsere Unterstützung an.

 

Kreislaufwirtschaft

Tamara Wüthrich und Johanna Huber, Projektleiterinnen Kreislaufwirtschaft

Kreislaufwirtschaft ist nicht mehr nur eine Randbemerkung


Zum ersten Mal widmet sich der Umweltbericht in einem Kapitel der Kreislaufwirtschaft in Zusammenhang mit Abfall und Ressourcen. Das freut uns.


Das Kapitel zählt in einem separaten Kasten grundlegende Strategien einer Kreislaufwirtschaft auf, wie das Verkleinern von Stoffflüssen (z. B. leichtere Fahrzeuge), das Verlangsamen (verlängerte Lebensdauer von Produkten) und das Schliessen von Materialkreisläufen (z.B. rezyklierbare Produkte). Auch der EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft wird erwähnt, der viel ambitionierter ist als die Umweltpolitik der Schweiz.

 

Die geförderten Massnahmen, die im Bericht erwähnt werden, sind erste Bausteine in Richtung Kreislaufwirtschaft. Dank dem Projekt SwissZinc etwa kann die Schweiz zukünftig 1/3 ihres Zinkbedarfs aus dem eignen Kehricht decken (Stichwort Urban Mining) und der Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung könnte in Zukunft zur Festlegung von Maximalverlustquoten pro Branche führen.

 

Lücken in der Datensammlung

 

Konkrete Massnahmen, die die verschiedenen Kreislaufwirtschaftsstrategien aufgreifen, und über die Abfallwirtschaft hinausgehen, sind aber noch rar. Das Kapitel hat weiterhin hauptsächlich eine «End-of-life»-Perspektive. Die zwei Grafiken des Kapitels widmen sich dementsprechend auch der Herkunft des Abfalles (v. a. Bausektor) und dem steigenden Anteil an separat gesammeltem (vs. verbranntem) Abfall. Dies weist nicht nur auf fehlende Massnahmen, sondern auch Lücken in der Datensammlung hin. Wie wir in der Vernehmlassung zur Revision des Umweltschutzgesetztes (2021–2022) hingewiesen haben, braucht es nationale Indikatoren, welche über Recyclingquoten und die vom Bundesamt für Statistik gemessene Kreislauf-Materialnutzungsquote hinaus gehen. Effektiver Fortschritt in Richtung Kreislaufwirtschaft kann nur gemessen werden, wenn auch Teilen, Wiederverwenden, Reparieren, Wiederaufbereiten erfasst werden.

 

Ressourcebverbrauch mindern

 

sanu durabilitas stimmt mit dem Kapitel überein, dass das Potenzial der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz noch unausgeschöpft ist. Deshalb setzen wir uns nicht nur für bessere politische Rahmenbedingungen ein, beispielsweise als Sekretariat der parlamentarischen Gruppe Kreislaufwirtschaft, sondern testen auch konkrete Lösungen für einen Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, wie etwa mit unserem Projekt «Au REverre» zur Wiederverwendung von Glasflaschen. Denn von Einweg- auf Mehrweg-Verpackungen zu wechseln, ist eine konkrete Massnahme, um den Ressourcenverbrauch zu vermindern und Littering zu reduzieren. Davon könnte die Schweiz auch finanziell profitieren, denn Gemeinden und der öffentliche Verkehr geben gemäss dem Umweltbericht jährlich rund 200 Millionen Franken für die Beseitigung und Entsorgung von Littering aus.